Stress im Home Office? Mit agilen Praktiken den Familienfrieden wahren

Das Arbeiten von Zuhause wird durch Corona zum Normalzustand. Damit einher geht viel Zeit mit der Familie, und das auf engstem Raum. Der Alltag findet fast ausschließlich in den eigenen vier Wänden statt.

Die (Um-)Organisation des privaten Alltags ist eine Herausforderung, bei der auch Konflikte entstehen können. Es bedarf nicht nur Feingespür und Toleranz, sondern auch ein hohes Maß an konstruktiver Kommunikation, um gemeinsam und möglichst konfliktfrei durch diese Zeit zu kommen.

Die gute Nachricht ist: Es gibt Unterstützung. Wir erklären Ihnen hier, wie die agile Praktik „Retrospektive” auf Ihre Familie angewandt werden kann. Sie brauchen dafür nur ein bisschen Zeit und farbige Post-Its!

Was ist das Ziel einer Retrospektive?

Grundsätzlich dient eine Retrospektive dazu, die Zusammenarbeit eines Teams stetig zu verbessern und effizienter zu gestalten. Dabei stehen die Aspekte der Zusammenarbeit im Fokus, es geht also nicht um fachliche oder technische Fragen.

Im beruflichen Umfeld erarbeitet ein agiles Team in der Retrospektive Maßnahmen, um die Zusammenarbeit zu verbessern.

Für eine Familie lässt sich das wunderbar anpassen. Denn auch dort muss das Team gut zusammenarbeiten, damit das Zusammenleben für alle gleichermaßen angenehm ist.

Wie sieht das im privaten Kontext aus?

Eine Retrospektive lässt sich auf verschiedene Arten durchführen, die aber einer grundlegenden Struktur folgen. Falls Sie noch nie eine Retrospektive durchgeführt haben oder eine neue Vorlage brauchen, laden Sie unsere kostenlose Retroboard-Vorlage herunter. Wer keinen Drucker hat, kann die Überschriften selbst auf ein Poster übertragen.

Bringen Sie zur Vorbereitung das Retroboard Ihrer Wahl zuhause an einer für alle gut sichtbaren Stelle an.

Orientieren Sie sich für Ihre private Retrospektive an diesem Ablauf:

  • Check-In: Um Verbesserungen zu erreichen, muss zunächst der Status Quo erhoben werden. Daher lautet der erste Schritt: Erfragen Sie die Stimmung Ihrer Familienmitglieder. Jeder markiert die entsprechende Spalte, die seiner Stimmung entspricht, auf dem Board mit einem Strich. Anstatt der Kaffeetassen können es auch andere Bilder sein, die eine Bandbreite an Stimmungen darstellt, zum Beispiel von Gewitterwolken bis Sonnenschein.
  • Sammeln: Im zweiten Schritt wird gemeinsam besprochen, was gut gelaufen ist und bleiben sollte („Bewahren“), was unbedingt angefangen werden soll („Start“), was nicht mehr fortgesetzt werden sollte („Stoppen“) und was verändert werden muss („Ändern“). Jeder Vorschlag oder jede Erkenntnis werden einzeln auf Post-its geschrieben und dann auf das Board geklebt – Bastelspaß bleibt also nicht außen vor! Wer kreativ werden möchte, kann seine Post-Its auch bemalen.

Ein typisches Problem in der Familie ist das schmutzige Geschirr.

 

  • Analyse: Den Ursachen der drei bis vier größten Probleme, die bei “Stoppen” oder “Ändern” erfasst wurden, wird jetzt auf den Grund gegangen. Oft ist ein solches Problem eher ein Symptom und deutet auf andere Schwierigkeiten hin. Um die Ursache zu erfassen, kann die Methode „5-Mal-Warum“ eingesetzt werden.

In unserem Beispiel könnten es nachfolgende Warum-Fragen sein:

  • Warum steht es zu lange rum? Weil es keiner gemacht hat.
  • Warum hat es niemand gemacht? Weil die Zeit fehlt, es abzuwaschen.
  • Warum fehlt die Zeit? Weil andere Dinge wichtiger scheinen.
  • Warum scheinen andere Dinge wichtiger? Weil Abwasch keinen Spaß macht.
  • Warum macht es keinen Spaß? Man will nicht alleine in der Küche stehen und aufräumen, während die anderen Spaß mit Videospielen oder Fernsehen haben. Es würde mehr Spaß machen, wenn es eine gemeinsame Aktivität wäre.
  • Nach maximal fünf Warum-Fragen kommt man dem Ursprung des Problems, und auch seiner Lösung, näher.
  • Maßnahmen: Für identifizierte Ursachen werden Maßnahmen zur Verbesserung vorgeschlagen. Für unser Beispiel des schmutzigen Geschirrs in der Küche, das nicht abgewaschen wird, weil es alleine keinen Spaß macht, könnte eine solche Maßnahme lauten: „am frühen Abend wird das komplette Geschirr in einer Gemeinschaftsaktion aufgeräumt und gesäubert“. Diese Maßnahme wird dann bis zur nächsten Retrospektive getestet, ob es den gewünschten Effekt bringt.

In unserem Beispiel könnte die Lösung folgendermaßen aussehen:

  • Alle helfen beim Abwasch, dann macht es mehr Spaß und geht schneller von der Hand.
  • Der gewünschte Effekt: Bei der nächsten Retrospektive ist “Schmutziges Geschirr steht zu lange rum” kein Problem mehr.
  • Check-Out: Jeder gibt ein Voting dazu ab, wie hilfreich die Runde fand, auf einer Skala von 1 (wenig hilfreich) bis 5 (sehr hilfreich). Der „Check-Out“ ist gleichzeitig Abschluss der Retrospektive.

Eine Woche später wird an diese Retrospektive angeknüpft. Es kommt dann hinzu, dass geprüft wird, ob die Maßnahmen funktioniert haben oder weiter optimiert werden müssen. Der beschriebene Ablauf bleibt aber grundsätzlich derselbe.

Probieren Sie es aus! Wir freuen uns über die Zusendung Ihrer Erfahrungen, Vorschläge und Anfragen für weitere agile Tools, die Sie für sich im privaten Umfeld nutzen wollen. Senden Sie uns einfach eine E-Mail mit dem Betreff “Agil für Zuhause”!

Aber in einer Sache kann Ihnen die Retrospektive nicht helfen: Den Abwasch muss trotzdem jemand machen 😉 

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