Retrospektiven für Fortgeschrittene – Konkrete Problemstellungen adressieren

Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

In einer Retrospektive treffen Fehler- und Lernkultur sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit innerhalb eines Teams aufeinander.
Und das möglichst regelmäßig, so dass sich große Konflikte gar nicht erst aufbauen und Verbesserungen in kleinen Schritten angegangen werden können. Damit das Format nicht an Wirkungskraft verliert, empfehlen wir, es für jeden Termin an die aktuellen Bedürfnisse anzupassen. Der Klassiker, bei dem zunächst gesammelt wird, welche Aktionen und Handlungsweisen beibehalten, verändert, gestoppt oder gestartet werden sollen, ist und bleibt ein Evergreen. Allerdings reicht er nicht immer aus, um die nötige Tiefe in der Reflexion zu erreichen.
Noch unerfahrene Teams finden so vielleicht noch nicht den Zugang zu den wirklichen Problemursachen, “alte Hasen” nutzen das bekannte Format vielleicht dazu, kleinere Themen vorzuschieben, um sich mit den gewichtigeren Themen nicht auseinandersetzen zu müssen.
Wir möchten daher 3 Arten von Retrospektiven vorstellen, die jeweils einen ganz unterschiedlichen Fokus haben. Alle Retrospektiven werden natürlich von einem Einstieg sowie einem Abschluss eingerahmt, so dass jeder Termin in sich stimmig ist.

1. Fokus WERTE

Gerade, wenn es immer wieder zu Konflikten innerhalb eines Teams oder zu emotionalen Ausbrüchen einzelner kommt, liegt es nahe, dass es sich um Wertekonflikte handelt. Jeder Mensch lebt und handelt nach einem ganz individuellen Wertesystem. Vielen sind ihre eigenen Werte aber gar nicht vollumfänglich bekannt, so dass selbst das eigene Verhalten manchmal zu Irritationen führen kann. Treffen nun die unterschiedlichen Werte der Teammitglieder aufeinander, kommen zusätzlich noch die Unternehmenswerte hinzu sowie die Rahmenbedingungen der aktuellen Situation, ist es nicht verwunderlich, dass hier so einiges an Konfliktpotenzial liegt.

Je nach dem Vertrauenslevel innerhalb des Teams empfiehlt es sich, mit der Reflexion von Unternehmens- oder Teamwerten zu beginnen. Diese beziehen sich nicht auf einzelne Personen, gleichzeitig gelten sie für alle Beteiligten und es werden alle für das Thema sensibilisiert. Zu Beginn werden die Werte visualisiert und alle Teammitglieder befragt, was sie darunter verstehen. Bereits hier können sehr unterschiedliche Perspektiven und Auslegungen aufeinandertreffen. Wichtig ist es, dass es kein richtig oder falsch gibt. Ziel ist es, zunächst ein gemeinsames Verständnis im Kontext der Organisation und der Aufgabe zu finden. Im nächsten Schritt wird gesammelt, wie die Werte heute bereits gelebt werden. Anschließend erarbeitet das Team einerseits, wie die Werte auf die Zielerreichung einzahlen und außerdem, durch welche Maßnahmen Wertkonflikte zukünftig gemindert bzw. die Werte stärker gelebt werden können. Die Übertragung des Vorgehens auf die persönlichen Werte kann allen am Ende als Anregung mitgegeben werden.

2. Fokus SELBSTWIRKSAMKEIT DES TEAMS

Teams agieren immer mit und in ihrem Umfeld. Daher ist es richtig, dass Rahmenbedingungen gegeben sein können, die hinderlich für die Arbeit des Teams sind und außerdem nicht im primären Einflussbereich des Teams liegen. Dennoch ist das Team Teil eines Systems, in dem alle Bestandteile aufeinander reagieren. So liegt, wenn auch zunächst vielleicht nur indirekt, immer ein Teil der Verbesserung im Einflussbereich des Teams. Damit ein Team nicht in eine destruktive “Jammer-Schleife” gerät, ist es also wichtig, den Fokus immer wieder auf die Selbstwirksamkeit zu lenken.

Dazu werden zunächst Problemfelder gesammelt, die nicht im direkten Einflussbereich zu liegen scheinen, die der Zielerreichung aber massiv im Wege stehen. Im nächsten Schritt wird analysiert, welchen Einfluss die Hindernisse auf die Arbeit des Teams haben und auch, welche Aktionen dem entgegenwirken können. Beispielsweise lässt sich die eigene Arbeitsweise anpassen, wenn damit ein Hindernis überwunden oder umgangen werden kann. Oder es kann in Abstimmung mit den Stakeholdern entschieden werden, dass bestimmte Features entfallen oder angepasst werden, um weiter voranzukommen.

Essenziell ist es, dass auch hier konkrete Maßnahmen festgelegt werden, die im nächsten Zyklus umgesetzt werden. Nur durch die konsequente Veränderung des eigenen Vorgehens kann ein Team eine Änderung des Systems erreichen, in welcher Form auch immer.

3. Fokus “ENTWEDER ODER”

Werden bestimmte Themen in einem Team immer wieder umschifft oder nur schwammig formuliert, kann es helfen, mit einer Skalen-Retro zu arbeiten. Dabei werden polarisierende Aussagen zu besagten Themen formuliert und mit einer Skala kombiniert, beispielsweise “stimme ich vollkommen zu” und “stimme ich überhaupt nicht zu”. Wir empfehlen, mit zwei bis drei Aussagen zu arbeiten und diese gerne am Ende durch eine offene Frage zu ergänzen, z.B. was getan werden könnte, um beispielsweise die Nutzung eines neuen Tools zu verbessern. So muss sich jede:r positionieren, wird aber gleichzeitig in die Lösungsorientierung geführt.

Hilfreich ist es, dabei mit sehr knappen Timeboxen zu arbeiten, so dass es bei den Skalenfragen weder zu einem langen Abwägen noch zu einer Orientierung anhand der Meinung anderer kommt. Das Ergebnis zeigt direkt, wie weit das Empfinden der Teammitglieder auseinander liegt. Im nächsten Schritt wird zunächst erläutert, was hinter dem Empfinden der einzelnen Teammitglieder steckt und anschließend gemeinsam reflektiert, wo es zu Abweichungen kommt und worin diese begründet liegen.

Durch die offene Frage am Ende stehen meist schon mögliche Maßnahmen zur Verbesserung im Raum, die mit den Erkenntnissen aus der vorhergehenden Diskussion effektiv detailliert, ergänzt und erweitert werden können.

Fazit

Auch wenn Klassiker zu Recht als solche bezeichnet werden, lohnt es sich doch, bestehende Varianten einzusetzen oder diese gleich selbst zu entwickeln, insbesondere, wenn Probleme oder Konflikte immer wieder entstehen. Denn durch eine neue Betrachtungsweise lassen sich neue Lösungsräume öffnen und das ist die Voraussetzung dafür, wirklich etwas zu verändern.
Denn schon Einstein wusste “Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

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